„Ich will nicht!“ denke ich an diesem Morgen. Ich stehe unmotiviert und viel zu spät auf. Ich versuche nicht an die Chemotherapie und ihre Folge zu denken. Gestern war ich beim Training, daran denke ich, um mich abzulenken. Ich ziehe mich an, heute wähle ich fröhliche Farben, eine senfgelbe Hose, einen weißen Pullover und mein regenbogenfarbenes Kopftuch. Ich schminke mich und freue mich dabei darüber, dass meine Augenbrauen und Wimpern noch da sind und dadurch mein äußeres Erscheinungsbild gesund aussieht. Ich frühstücke, packe meine Sachen und steige ins Taxi.

Heute fühle ich mich etwas schwächer, als beim letzten Mal. Ich gehe in die Tagesklinik und Schwester Rita nimmt mir Blut ab. Mein Port ist nicht rückläufig, das bedeutet, dass der Katheter beim Anziehen, von der Venenklappe oder Venenwand blockiert ist. Daher nimmt Rita Blut am Arm ab. Das kommt häufig vor, sagt sie und beruhigt mich. Die Infusion kann trotzdem über den Port laufen.

Im Wartebereich lese ich etwas, bis mich meine betreuende Ärztin zu einem Gespräch aufruft. Sie ruft ihre Patienten persönlich auf. Ich bespreche mit ihr alle Nebenwirkungen, bekomme Rezepte und Ratschläge. Auf jede Frage hat sie eine sachliche Antwort, die mich beruhigt.

Nun warte ich auf die Bluttestergebnisse. Ich werde aufgerufen, die Blutwerte sind in Ordnung und ich kann die Chemotherapie bekommen. Ich darf mir einen Platz aussuchen und wähle bewusst den Platz neben zwei jungen Frauen, die sich angeregt unterhalten. Erst lausche ich der Unterhaltung ein wenig. Es geht um Kinder und die erste Zeit in der Krippe. Da kann ich mitreden, denke ich. Ich spreche sie direkt an und erzähle, dass meine Tochter auch gerade die Eingewöhnung hinter sich hat und super gern in die Krippe geht. Meine Sitznachbarin fragt mich, in welche Krippe meine Tochter geht. Ich nenne ihr die Krippe und sie bestätigt, ihre Tochter auch. Selbst in dieselbe Gruppe gehen unsere Töchter, die nur 3 Monate auseinander sind. Unfassbar, wir kommen beide wegen dieses Zufalls nicht klar. Unsere Töchter verstehen sich total gut. Über diese glückliche Fügung freue ich mich total. Bin schon gespannt, ob wir mal ein Treffen zustande bekommen.

Ich bestelle mir mein Taxi für die Rückfahrt, esse zu Hause noch etwas und begebe mich dann aufs Sofa. Ich erwarte zum Abend meine Freundin, die bei mir übernachtet.

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