In der letzten Nacht lag ich lange wach. Es hat sich ein Tinnitus im linken Ohr gebildet und ich hatte gefühlt Fieberschübe und Herzrasen. Ich muss irgendwann gegen 5 Uhr eingeschlafen sein und um 7 Uhr war ich wieder wach. Heute wird untersucht, ob der Tumor Metastasen entwickelt hat, also gestreut hat. Wenn das so wäre, würde ich früher oder später an Brustkrebs sterben… Doch soweit versuchte ich gar nicht zu denken. Meine Gedanken kreisten sich um meine 16 Monate alte Tochter und auch, ob sie meine Familie, wenn ich nicht mehr da wäre, regelmäßig treffen würde.

Meine Schwester übernachtet bei mir, sie ist für mich da. Sie beantwortet alle Fragen die aufkommen unverblümt, wissenschaftlich und direkt. Manchmal ist es auch ein bisschen beängstigend, aber ich habe das Gefühl, dass sich so kein Schleier bildet und ich weniger im Ungewissen bleibe. Denn die Ungewissheit ist derzeit unerträglich.

Um 10 Uhr habe ich in der Radiologie einen CT-Termin und um 13 Uhr eine Knochenszintigrafie. Die Wartezeiten sind lang und kräftezehrend und meine Schwester durfte auf Grund der Corona-Maßnahmen als Begleitperson nicht mit reinkommen. Doch in der Lücke zwischen CT und Szintigrafie waren wir in der Stadt lecker essen.

Gegen 14 Uhr bekomme ich die kurze Information vom Radiologen: „Der Tumor hat keine Absiedlungen in Weichteilen oder in Knochen gebildet.“ Es fühlte sich tatsächlich sehr befreiend an. Ich hatte immer noch die schlimme Diagnose „Brustkrebs“, aber es gab einen Grund zur Freude: „Es ist nun definitiv heilbar.“

Anschließend gehen meine Schwester und ich zu einem Beratungstermin in der Kinderwunschklinik in Oldenburg. Eine Chemotherapie leitet oft die Menopause ein und nicht alle Patienten erholen sich vollständig davon. Da ich so früh erkrankt bin und mein Kinderwunsch eventuell noch nicht abgeschlossen ist, sollte ich über alternative Methoden nachdenken. Die Zeit für eine Eizellenentnahme ist bis zur Chemotherapie zu knapp, aber es gibt die Möglichkeit sich ein Drittel der Eierstöcke entnehmen zu lassen und einzufrieren. Zum späteren Zeitpunkt können diese wieder eingepflanzt werden und Lebensqualität und Fruchtbarkeit zurück bringen. Ich bin erstaunt, was alles möglich ist. Die OP für die Eierstockentnahme kann am 28.07. stattfinden, dafür müssten allerdings einige meiner schon geplanten Termine verschoben werden (Portimplantation, Chemobesprechung u.ä.). Deshalb muss ich gleich, zu Hause angekommen, im Klinikum anrufen und darum bitten die Termine zu verschieben. Meine Ansprechpartnerin, die Psycho-Onkologin, verspricht mir sich zu kümmern.

In mir stellt sich mit der Zeit nun eine innere Ruhe ein. Eine erhöhte Grundanspannung spüre ich immer noch, doch das Herzrasen und die erhöhte Atemfrequenz sind weg. Meinen Tinnitus bemerke ich erst wieder, als ich abends vollkommen müde und erschöpft im Bett liege und zur Ruhe komme. Mir dröhnt der Kopf. Meine Schwester hat mir Baldrian besorgt, davon nehme ich eine Kapsel und schlafe zügig ein. Kaum denkbar, dass die Diagnose erst gestern gestellt wurde. Es kommt mir vor, als wäre schon mindestens eine Woche vergangen.

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